Syrien: Berichten unter Lebensgefahr
In Aleppo sind drei spanische Journalisten verschwunden. Die näheren Umstände sind nicht bekannt. Ihr Fall zeigt, wie gefährlich journalistische Arbeit in dem Land ist. Willkommen sind Reporter in Syrien nicht.
Noch immer ist ihr Schicksal ungewiss. Am 11. Juli waren die drei spanischen Journalisten über die Türkei nach Syrien eingereist, einen Tag später kamen sie in Aleppo an. Dort verliert sich ihre Spur. Zwar besteht noch Hoffnung, dass die drei bald wieder als freie Menschen von sich hören lassen. Doch muss man auch damit rechnen, dass sie entführt worden sind.
Die Regierung bemühe sich “mit allen Mitteln” um die Geiseln, erklärte der spanische Justizminister Rafael Catalá. Viel mehr konnte er aber auch nicht sagen. “Zuerst müssen wir wissen, was passiert ist”, so Catalá. Man müsse in Erfahrung bringen, ob die drei Journalisten festgehalten würden, und falls ja, “mit welchem Ziel”. Womöglich gehe es um eine Lösegeldforderung. Aber auch das wisse man noch nicht.
Die drei entführten Journalisten – Antonio Pampliega, José Manuel López und Angel Sastre – gelten als erfahrene Kriegsberichterstatter. Sie hatten bereits von mehreren Kriegsschauplätzen im Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika berichtet. Für internationale Medien arbeitend, waren sie für ihre Arbeit wiederholt mit Preisen ausgezeichnet worden.
Syrien ist für Journalisten eines der gefährlichsten Länder überhaupt. Im globalen Pressefreiheits-Index, den die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) Jahr für Jahr veröffentlicht, nimmt Syrien derzeit Platz 177 ein – von 180 Plätzen überhaupt. Seit Ausbruch der Gewalt im Jahr 2011 starben in Syrien nach Auskunft von RoG 134 Journalisten und 46 Informanten.
Im vergangenen 2014 wurden nach Auskunft von RoG über 27 Journalisten entführt. 21 von ihnen befinden sich noch in Geiselhaft. Am längsten vermisst wird der US-amerikanische Journalist Austin Tice. Er verschwand im August 2012 spurlos. Die meisten der vermissten Journalisten stammen aus Syrien selbst oder aus den Nachbarländern.
Auch spanische Journalisten wurden bereits entführt. Unabhängig voneinander fielen im September zwei Journalisten der Zeitung El Mundo und einer der Zeitung El Periódico de Catalunya Terroristen in die Hände. Nach langen, über ein halbes Jahr sich hinziehenden Verhandlungen wurden sie im Frühjahr 2014 freigelassen. Ob Lösegeld gezahlt wurde, ist nicht bekannt.
Zeugen unerwünscht
Zwar finanzieren sich in Syrien und im Irak operierende Terrorgruppen auch über Lösegelder im Austausch gegen entführte Journalisten. Doch das wesentliche Motiv, Berichterstatter zu entführen, ist ein anderes: Die Terrorgruppen wollen vermeiden, dass über ihr Wirken berichtet wird. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Informationen freier und unabhängiger Reporter können sie nicht kontrollieren.
Deren Informationen sind aber ein wichtiges Korrektiv. Kommen keine unabhängigen Journalisten mehr ins Land, kontrollieren die Terroristen den gesamten Informationsfluss. Der aber kann sich schnell in einen Propagandastrom verwandeln. Journalisten abzuschrecken oder ihrer habhaft zu werden, gehört darum zum Kalkül der Terroristen. Sie wollen vor allem eines: keine Zeugen.
Propagandabild des IS
Das gleiche gilt auch für die andere Seite, das Regime Bashar al-Assad. Auch dieses hat kein Interesse daran, dass Journalisten über die von ihm verübten Gräueltaten berichten – etwa die Fassbomben, die das Militär über vom “Islamischen Staat” beherrschten, aber überwiegend von Zivilisten bewohnten Gebieten abwirft. Deshalb werden in Assads Herrschaftsgebiet reisende Journalisten, soweit sie überhaupt zugelassen werden, kontinuierlich von Presseoffizieren begleitet. Frei berichten können darum auch sie nicht.
Kostspielige Sicherheitsvorkehrungen
Sicherheitsvorkehrungen sind für in Syrien arbeitende Journalisten unabdingbar. Ein Sicherheitsgrundkurs ist darum die Mindestvoraussetzung. Ein solcher Kurs kostet rund 2000 Euro. Den sparen sich oft gerade freie Journalisten, die auf eigene Rechnung in das Land fahren. Auch die Kosten für einen so genannten “Fixer”, also eine einheimische Servicekraft, die als Begleiter und Dolmetscher dient, vor allem aber Kontakte zu den Kriegsparteien hält, können sich nicht alle freien Journalisten leisten. Paradoxerweise gilt das gerade für ein so gefährliches Land wie Syrien. Denn der Preis für einen “Fixer” richtet sich nach dem Risiko, das dieser eingeht. Und in Syrien ist das Risiko sehr hoch. “Aus Syrien in Zeiten des Kriegs zu berichten, ist für einen freien Journalisten ein erhebliches Risiko geworden”, schreibt die spanische Zeitung El País.
Zu gefährlich für direkte Berichterstattung: Ein Kameramann an der türkisch-syrischen Grenze bei Kobane (Oktober 2014)
Syrien sei für ihn zum Wendepunkt geworden, erklärt der spanische Fotograf Gervasio Sánchez im Gespräch mit der Tageszeitung El Mundo. “Zum ersten Mal frage ich mich, ob es sich lohnt, über einen Konflikt zu berichten, in dem einem so viel passieren kann.” Niemals habe er daran gezweifelt, dass man über Konflikte um jeden Preis berichten müsse. “Bei Syrien sind mir nun aber Zweifel gekommen. Denn es kann passieren, dass wir für Medien arbeiten, die dieses Risiko nicht wert sind – und für eine anästhesierte Gesellschaft, die sich mehr für andere Dinge interessiert.”
Die Rechnung der Terroristen ist längst aufgegangen: Es befinden sich nur noch sehr wenige Journalisten in Syrien. Um trotzdem aus dem Land berichten zu können, verlässt sich die Deutsche Welle etwa auf ein Netz von Informanten. Die von ihnen gelieferten Informationen veröffentlicht sie aber erst nach gründlicher Prüfung. Mehr lässt sich verantwortungsvollerweise nicht tun. Terror kann die Pressefreiheit zwar nicht ganz besiegen. Aber er kann ihr erhebliche Grenzen setzen.